Die Diplomarbeit MINIMAL wurde im Jahre 2005 von Christian Schrei am Institut für Informations-Design der FH Joanneum in Graz (Österreich) verfasst und ist zusätzlich zu dieser Website als PDF-Dokument sowie in der Österreichischen Nationalbibliothek verfügbar. Die der Arbeit beigefügte Musik wurde komponiert, arrangiert und produziert von Christian Schrei (Hörbeispiel). Herzlicher Dank gilt Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Dr.phil. Harald Haslmayr, Ao.Univ.Prof. Mag.phil. Bernhard Lang, Ao.Univ.Prof. Mag.art Georg Friedrich Haas und Christine Frisinghelli. Gewidmet Jörg Schlick.

Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Stile Minimal Art und Minimal Music. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die erkennbaren Divergenzen zu einem gewissen Grad zu neuen konzeptionellen Ideen zu verbinden sind. Dabei ist auf den umfangreichen Umsetzungsprozess zu verweisen, der auf jedes Kapitel mit je einem Musikstück sowie einem Kunstwerk Bezug nimmt. Um eine Situation größtmöglicher Differenzierung zu schaffen, finden im Rahmen des Vorworts minimalistische Tendenzen in den eher zur Minimal Art gewandten Disziplinen wie Architektur, Design und Fotografie Erwähnung, aber auch Tanz, Film und Literatur werden auf minimalistische Aspekte hin untersucht.

Die inhaltliche Struktur richtet sich ganz nach den wichtigsten Charakteristika der beiden behandelten Stile. Die ersten drei Kapitel verknüpfen die aufeinander aufbauenden Aspekte des Minimalismus, die sowohl in der Kunst als auch der Musik eine wesentliche Rolle spielen. So bildet die Reduktion im ersten Teil die Basis des Minimalismus, worauf die Repetition als wichtigste Technik des Reduzierens folgt, um schließlich in den mathematisch-logischen Verfahrensweisen als Intensivierung der minimalistischen Elemente zu münden. Parallel zum Inhalt steigern sich auch die entsprechenden Musikstücke und Kunstwerke in ihrer Intensität. Der vierte Teil widmet sich der Objekthaftigkeit sowie der Perspektive in der Minimal Art und versucht Parallelen zu ähnlichen Konzepten in der Musik zu ergründen, während sich das abschließende Kapitel mit der meditativen Wirkung der Minimal Music befasst.

Erwähnenswert ist auch, dass diese Arbeit nicht den Anspruch verfolgt, eine vollständige Darstellung aller Künstler der Minimal Art und Minimal Music bis zur Gegenwart (2005) zu geben. Vielmehr erscheint es bedeutend, minimalistische Anzeichen in der Kunst und Musik anhand wichtiger Kriterien und bedeutender Künstler in einem gemeinsamen Kontext zu präzisieren, Verbindungen herzustellen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse auditiv und visuell erfahrbar umzusetzen. Diese Umsetzung geschieht einerseits durch die Musikstücke auf der Audio-CD und andererseits durch die Kunstwerke, die jeweils am Kapitelbeginn zu finden sind. Alle fünf Kompositionen setzen den Inhalt des entsprechenden Kapitels auf auditiver Ebene um, während die künstlerischen Arbeiten dessen Visualisierung darstellen. Sämtliche Musikstücke sind vom Autor komponiert, arrangiert und produziert, ebenso wie alle Kunstwerke selbständig gestaltet sind, um ein größtmögliches Maß an individueller Auseinandersetzung mit der Materie zu erreichen.

Eine im Verlauf der Recherche aufgetretene Problemlage sei an dieser Stelle thematisiert: Stildefinitionen stehen in der Kunst- und Musikgeschichte prinzipiell vor der Schwierigkeit, die meist stark variable Masse an Kunstwerken einer spezifischen Strömung zuzuordnen. Im Fall der Minimal Art verschärft sich das Problem zusätzlich, da in der Kunstkritik weiterhin umstritten ist, ob Malerei und Objekte gleichermaßen die Prinzipien der Minimal Art vertreten. Während sich die Malerei hauptsächlich mit der Reduktion in Monochromen und seriell strukturierten Bildern beschäftigt, spielen in der räumlichen Kunst das Material, die Objekthaftigkeit, eine dadurch entstehende räumliche Perspektive sowie das kritische Verhältnis der Kunst zum Ausstellungsraum eine tragende Rolle. Diese Arbeit konzentriert sich auf die Objekte, da nur dort einige für die Minimal Art bedeutenden Charakteristika wie Objekthaftigkeit und Perspektive gelten.

Wie eingangs angekündigt, folgt nun ein Exkurs in einige Bereiche des Minimalismus jenseits von Minimal Art und Minimal Music, der sich jeweils auf eine Kurzdefinition mit Beschreibung der wichtigsten Künstler beschränkt. Auch wenn die vorgestellten Arbeiten meist im Kontext einer eigenen Bewegung zu sehen sind, erscheint es dennoch sinnvoll, die minimalistischen Ansätze anderer Kunst- und Musikrichtungen zu erwähnen, um damit Querverbindungen zur Minimal Music und Minimal Art herzustellen.

Architektur
Bereits relativ bald nach der Etablierung der Konzepte in der Minimal Art werden diese von der Architektur aufgegriffen. Die kritische Haltung gegenüber dem traditionellen Galerieraum weicht im architektonischen Kontext einer verstärkten Simplifizierung von Formen sowie einer Konzentration auf nur wenige Materialien. Dass dieser Stil seither kaum an Aktualität verloren hat, belegen bekannte zeitgenössische Vertreter wie das Schweizer Architektenduo Herzog & de Meuron, der Engländer John Pawson und der in London arbeitende Italiener Claudio Silvestrin.

Design
Gegen Ende der 50er Jahre ergibt sich im Corporate Design die Notwendigkeit, eine einheitliche Firmenidentität für unterschiedlichste Branchen umspannende Konzerne zu schaffen. Daraus resultieren die Verwendung von geometrischen, modularen Konfigurationen sowie exakte Angaben von Intervallen und Abständen der Elemente zueinander, womit starke Parallelitäten zur Minimal Art deutlich werden. In den 90ern wird der Begriff des Minimalismus von den Amerikanern Kim Johnson Gross und Jeff Stone auf das Wohndesign erweitert. In ihrer Bücherserie Chic Simple übertragen sie ihre Philosophie „weniger ist mehr“ unter anderem auf Kleidung, Möbel und Haushaltsgeräte.[1]

Fotografie
Weitere minimalistische Züge lassen sich gegen Ende der 60er Jahre auch in der konzeptionellen Fotografie feststellen. Neben der Verwendung serieller Bildabfolgen kommt dem Akt des Beschreibens sowie dem Prozesshaften ähnlich wie in der Konzeptkunst eine besondere Bedeutung zu. Unter den Vertretern konzeptioneller Fotografie wie Sol LeWitt, Dan Graham, Douglas Huebler und Joseph Kosuth finden sich oft Parallelitäten und Überschneidungen zu ihrem Schaffen in der Konzeptkunst.

Tanz
Mitte der 60er Jahre befasst sich auch der Tanz mit den Gedanken zur Reduktion, als einflussreichste Künstler sind hier Trisha Brown, Lucinda Childs, Simone Forti und Yvonne Rainer zu nennen. Letztere verfasst 1966 einen Aufsatz über Tanz und Reduktion, in dem sie die Grundprinzipien des minimalistischen Tanzes definiert. Charakteristisch sind die Abkehr von Entwicklung, Klimax und Charakterdarstellung hin zur Gleichheit aller Teile sowie einer möglichst neutralen Aufführung. Variationen in Rhythmus, Form und Dynamik werden durch Wiederholungen oder diskrete Ereignisse ersetzt.[2]

Film
Im Filmbereich entwickelt sich keine eigene minimalistische Stilrichtung, vielmehr ist von individuellen Ansätzen der minimalistischen Aspekte in Filmen die Rede. Ein frühes Beispiel ist Hurlements en faveur de Sade (1952) von Guy-Ernest Debord, der über einen Zeitraum von 80 Minuten abwechselnd schwarze und weiße, leinwandfüllende Flächen zeigt, während die weißen Szenen mit dem Rezitieren von Gerichtstexten, Zeitungsausschnitten und Ähnlichem einhergehen.[3] Debord ist allerdings keinesfalls als minimalistischer Künstler, sondern vielmehr im engen Umfeld der Situationistischen Internationale zu sehen, die als äußerst radikale Künstlergruppierung von 1957 bis 1972 ein streng politisches Programm verfolgt, wohingegen die Minimal Art jenes politische Engagement durch eine Konzentration auf die Ästhetik ersetzt.
Etwa 10 Jahre später stellt Andy Warhols Film Empire (1963) acht Stunden lang das Empire-State-Building in New York aus dem 44. Stock des Time-Life-Buildings gefilmt dar, während dieselbe Kameraposition und -einstellung den gesamten Film über beibehalten wird. Da sich das Objekt selbst nicht ändert und keine Tonspur vorhanden ist, stellen die Lichtverhältnisse den einzigen Wandel im Film dar, der durch die Verwendung von Schwarz-Weiß und nur geringfügigen Änderungen der Bildinformation zusätzlich auf ein Minimum reduziert wirkt.
Ähnlich wie bei Debord hebt sich Warhols Film als außergewöhnliches Kunstwerk von seinem übrigen Schaffen ab, mit dem er die Pop Art begründet. Auch wenn sich seine Kunstrichtung zur selben Zeit wie die Minimal Art entwickelt, grenzt sie sich von dieser deutlich ab, indem sie die Phänomene der Massenkultur zur Kunst erhebt.

Literatur
Erste minimalistische Tendenzen in der Literatur sind bereits recht früh feststellbar, beispielsweise an Robert Desnos’ L’Aumonyme (1923), das Marcel Duchamps Pseudonym „Rrose Sélavy“ in zwölf identisch lautende Variationen wie beispielsweise „Roseé, c’est la vie“ einteilt. Verwandte Ansätze finden sich ab den 50er Jahren in der konkreten Poesie, die die Bedeutung der Sprache auf die phonetische Ebene reduziert und eine Annäherung von sichtbarer Form und deren Struktur anstrebt.[4] Analog dazu formuliert Steve Reich als Vertreter der Minimal Music in seinem Aufsatz Music as a Gradual Process (1968) die Forderung, hauptsächlich die Struktur eines Werkes wahrzunehmen.
In den 70er und 80er Jahren etabliert sich in den USA eine neue Art der minimalistischen Prosa, die sich durch kurze Wörter, Sätze, Abschnitte oder kurze Geschichten ebenso ausdrücken kann wie durch einen degradierten Wortschatz, eingeschränkte Syntax oder aber auch minimale Charaktere, Expositionen oder Inszenierungen. Hauptvertreter sind Raymond Carver, Donald und Frederick Barthelme sowie Ann Beattie.[5]