Die mathematisch-logischen Verfahrensweisen sind dem Mittel der Repetition sehr ähnlich. Dabei werden zusätzliche, logisch nachvollziehbare Überlegungen zu Grad und Frequenz der Wiederholung angestellt, anstatt die vorhandenen Elemente völlig unverändert aneinanderzureihen. Während die Repetition eng mit dem Material verknüpft ist, orientiert sich die mathematisch-logische Verfahrensweise stärker an der Struktur des Werkes.

Verfahrensweisen
Die drei bekanntesten mathematisch-logischen Techniken der Minimal Art und Minimal Music sind das Additions-, Subtraktions- sowie das Substitutionsverfahren. Diese werden einzeln oder miteinander kombiniert auf kleinere Einheiten oder auch auf das gesamte Werk angewendet.
Wird der Komposition ein Ton hinzugefügt, spricht man in der Musik von Addition. Wenn beispielsweise durch die Addition einer Terz zu einer bestehenden Quint die Entscheidung zwischen Dur- und Moll-Tonart entsteht, ändern sich sowohl die Bedeutung als auch die Wirkung bereits in einem signifikanten Ausmaß. Vice versa trifft dies ebenso auf das Subtraktionsverfahren zu, das häufig als spiegelbildlicher Prozess nach einer Addition wie in Steve Reichs Drumming (1971) verwendet wird.
Die musikalische Substitution ist nicht nur auf das Austauschen von Noten begrenzt, sondern wird ebenso bei Pausen eingesetzt. Parallel dazu bezieht sich in der Minimal Art die Technik des Ersetzens auf einzelne Elemente und Leerräume, dasselbe gilt für das Addieren und Subtrahieren. Alle Verfahren können in der Kunst das Objekt oder dessen Eigenschaften, in der Musik den Ton oder dessen Dauer verändern. Die eingesetzten Techniken dürfen jedoch lediglich in graduellen Änderungen resultieren, um auch bei komplexen Verfahren eine minimalistische Form beizubehalten. Die Voraussetzung einer minimalistischen Arbeit ist schließlich, dass zumindest das Konzept oder die daraus resultierende Ausführung den Kriterien des Minimalismus entspricht.

Mathematisch-logische Ansätze
Der Musikkritiker und spätere Komponist Tom Johnson, der neben Michael Nyman als erster den Begriff der Minimal Music prägt, hat sich seit seinem Performance-Stück Nine Bells (1979) einer eigenen Spielart der minimalistischen Musik verschrieben, die sich an mathematischen und logischen Phänomenen orientiert. Das am stärksten ausgeprägte Beispiel seiner rational voraussehbaren Kompositionen stellt das gläubig-ernste Bonhoeffer Oratorium (1988-92) dar.
In seiner Arbeit The Chord Catalogue (1986) setzt Johnson eine enge Verbindung von Akkorden und Tonleitern um, die mit chromatischen Tonleitern alle möglichen 8178 Akkorde einer Oktave auflistet. Dabei folgt er einem exakt vordefinierten Prozess, der ohne weitere Eingriffe des Künstlers die gesamte Komposition vorgibt. Diese Prozesshaftigkeit ist ein typisches Merkmal für die Anwendung mathematisch-logischer Verfahrensweisen und unterstützt die Reduzierung des künstlerischen Egos im eigenen Werk, was in der Minimal Art bereits seit längerer Zeit verbreitet ist.
Hanne Darbovens (1941 in München geboren) setzt sich weniger auf der Konzept- als auf der Metaebene mit der Mathematik auseinander, indem sie ihr künstlerisches Ausgangsmaterial auf Zahlen einschränkt. Ihr Bild 4868 (1969) besteht lediglich aus den vier im Titel genannten Zahlen, die in den jeweils 104 Zeichen langen Reihen ihrem Wert entsprechend wiederholt werden. Seit 1980 überträgt sie die mathematischen Strukturen ihrer Bilder auch in Musikstücke, in denen sie jedem visuellen Element jeweils eine spezifische Tonhöhe zuteilt.
Der Schriftsteller und Kunstsammler Donald Karshan definiert die minimalistischen Kunstwerke als „meistens mathematisch im Raum gestaffelt, in ihrer eigenen Serialität der Intervalle.“[1] Als einer der anerkanntesten Vertreter dieser Technik gilt Sol LeWitt, der mit seriell strukturierten Bildern, kubischen Objekten, Gitterformen und vor allem mit seinem stark konzeptionellen Ansatz für internationale Beachtung sorgt.
In seinen 190 x 190 cm großen Bleistift-Wandzeichnungen walldrawings (1969) arbeitet Sol LeWitt mit eng beieinander liegenden vertikalen, horizontalen sowie diagonalen Linien. Die gesamte Serie besteht aus 15 quadratischen Zeichnungen und ist in untereinander gestaffelten Dreier-Gruppen angeordnet, bei denen die Addition des ersten und zweiten Elementes die jeweils letzte Zeichnung der Reihe ergibt. Überraschenderweise bricht LeWitt jedoch mit seinen eigenen Regeln, wenn er eine kaum wahrnehmbare Divergenz in der Kombination seiner Zeichnungen einsetzt.
Gewöhnlich distanziert sich der Künstler gerade bei mathematisch-logischen Verfahrensweisen möglichst weit vom künstlerischen Akt, indem er einen bestimmten Prozess unbeirrbar bis zum Schluss durchführt. Sol LeWitt jedoch greift bewusst in den Additionsprozess seiner Wandzeichnungen ein und geht damit auf die Kritik ein, die jenem Rückzug der Künstler einen großen Anteil an der emotionslosen Wirkung der minimalistischen Werke zuschreibt.
Das Thema des Kubus nimmt in LeWitts Gesamtœuvre eine zentrale Rolle ein. Seine Serie Variations of Incomplete Open Cubes (1974) besteht aus einer schematische Zeichnung aller möglichen Permutationen eines Würfels, die mit drei bis elf Geraden die kubische Form beschreiben. Im Rahmen dieser Serie übersetzt LeWitt die Skizzen auch in die dritte Dimension, wobei die entstehenden Objekte aus emailliertem Aluminium dem Rezipienten automatisch eine geistige Vervollständigung der Würfelform suggerieren. Die Idee der puristischen Geometrie des Kubus überträgt er später auch in die Fotografie, so lichtet er in seiner Arbeit Cube (1988) denselben Würfel in über 500 verschiedenen Beleuchtungssituationen ab.
Oft erinnern LeWitts Werke an die visuelle Auflösung einer simplen, mathematischen Fragestellung. Dass für ihn das Konzept den essentiellen Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit ausmacht, zeigt, dass er während des Herstellungsprozesses keine Anpassungen an die Umstände mehr vornimmt, da für ihn das Missverhältnis von Sache und Idee wichtig ist.
Donald Judd, der als berühmtester Vertreter der Minimal Art und Meister der Vermittlung von Spannungen zwischen Visualität und Materie gilt, nähert sich der Haltung von LeWitt an, der meint, „irrationale Gedanken sollten streng und logisch verfolgt werden“[2]. Die spezifischen Objekte Judds sind rational erdacht, wie der Einsatz von mathematischen Reihen zur exakten Bestimmung der Abstände zwischen den einzelnen Objektelementen belegt. Auch Robert Morris bedient sich dieser Technik, doch ist die Wirkung seiner Objekte oft irrational, da es unmöglich scheint, die verschiedenen perspektivischen Wahrnehmungen von beispielsweise Mirrored Cube (1963) in einer klaren Einheit zu fassen.

Kritik an der Emotionslosigkeit
Die einzelnen Elemente verlieren in ihrer Reihung an Individualität und werden austauschbar, womit sich die individualisierende Form des Werkes vom Konzept zur Ausführung verlagert. Die Mehrheit der minimalistischen Künstler verzichtet darin jedoch auf die Darstellung von eigenen Emotionen und kreiert stattdessen mathematisch-logische Gebilde, nicht zuletzt um das künstlerische Ego möglichst aus dem Werk zu verbannen.
Auch Sigmund Freud (1856 in Freiberg geboren, 1939 in London gestorben) beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Kunstwerk und Urheber und bemerkt in einer seiner Spätschriften, dass die Schöpferkraft nicht immer dem Willen des Künstlers folgt. „Das Werk gerät, wie es kann, und stellt sich dem Verfasser oft wie unbändig, ja wie fremd, gegenüber.“[3] Freud impliziert damit eine von vornherein gegebene Distanz zwischen Werk und Künstler, die im Minimalismus auf bewusste Weise an ihre Grenze gelangt.
Die Emotion in künstlerischen und musikalischen Arbeiten ist ein vieldiskutiertes Problem. Der Intellektualismus wirft bereits im frühen 20. Jahrhundert der sogenannten neuen Musik vor, sie „sei im Kopf, nicht im Herzen oder im Ohr entsprungen“[4]. Während diese Kritik vornehmlich an der seriellen Kompositionstechnik und der atonalen Klangwelt Anstoß nimmt, wendet sich der Einwand bei minimalistischer Kunst vorwiegend gegen die mathematische Logik, die repetitiven Elemente sowie die restriktive Formgebung.
Auf die Musik bezogen kritisiert bereits der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 in Stuttgart geboren, 1831 in Berlin gestorben) die zunehmende Emotionslosigkeit des instrumentalen Virtuosentum seiner Zeit. Dem Komponisten kann es demnach „unbekümmert um solchen Gehalt, auf die rein musikalische Struktur seiner Arbeit und auf das Geistreiche solcher Architektonik ankommen. Nach dieser Seite hin kann dann aber die musikalische Produktion leicht etwas sehr Gedanken- und Empfindungsloses werden, das keines auch sonst schon tiefen Bewußtseyns der Bildung und des Gemüths bedarf.“[5]
Die Kritik an der fehlenden Emotion ist aber ebenso auf die Erwartungshaltung des Konsumenten zurückzuführen, der weniger den konzeptionellen Hintergrund wahrzunehmen scheint als vielmehr „den Lustgewinn, den er einzuheimsen meint“[6], wie es Adorno ausdrückt. Hegel geht etwas detaillierter auf die Wahrnehmung des Rezipienten ein, die sich deutlich von der Sache, also dem Werk selbst unterscheidet, denn „die Empfindung ist die unbestimmte dumpfe Region des Geistes; was empfunden wird bleibt eingehüllt in die Form abstractester einzelner Subjectivität, und deshalb sind auch die Unterschiede der Empfindung ganz abstracte, keine Unterschiede der Sache selbst.“[7]
Überhaupt scheint das „Verhältnis von Ausdruck und Konstruktion, von Pathos und Logos“[8] eines der zentralen Probleme der Musik des 20. Jahrhunderts zu sein. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wenden sich zusehends mehr Komponisten gegen die rigorose Konzentration auf Form und Struktur der Musik und tendieren eher zu einer gefühlsbetonten Darstellung ihrer Ideen jenseits der materiellen Realität. Doch selbst während des Höhepunkts des Minimalismus finden sich einige Künstler, die in der Tradition der minimalistischen Idee stehen, gleichzeitig aber emotional geladene Arbeiten liefern. Die intensivste Auseinandersetzung mit Emotionen als Teil des künstlerischen Werkes lässt sich vor allem in der zweiten Generation der Minimal Art erkennen.
So zeigt Bruce Nauman in seiner viel versprechenden Debüt-Ausstellung 1968 in New York laibförmige Fiberglas-Objekte, die zwar eine minimalistische Anwesenheit darstellen, diese „jedoch mit beunruhigenden Obertönen des organischen Lebens“[9] kombinieren. Ähnliches gilt für seine Körperabgüsse, Neonzeichen sowie den Einsatz von selten verwendeten Materialien wie Schaumgummi, Filz und Fett in seiner Arbeit Collection of Various Materials Separated by Layers of Grease with Holes the Size of My Waist and Wrists (1966). Durch seine organisch anmutenden Formen und Materialien regt Nauman in der Minimal Art eine zu dieser Zeit unbekannte Diskussion über den emotionalen Wert an.
Ebenfalls zur zweiten Generation der minimalistischen Künstler zählt Eva Hesse mit ihren Arbeiten, die ein Gefühl starker Intimität oder auch selbstbewusster Sexualität wie bei Ingeminate (1965) ausstrahlen. Sie schreibt dem Herstellungsprozess eine besondere Bedeutung zu, weshalb sie alle Entscheidungen und Handgriffe während der Arbeit sichtbar macht und damit ihrer eigenen Person breiten Raum im Kunstwerk gewährt. Dadurch erweitert Hesse das künstlerische Ergebnis um die emotionale Komponente und grenzt sich somit wie Nauman deutlich gegenüber der ersten Generation der minimalistischen Kunst ab.
Auch wenn diese Künstler gegen Ende der 60er Jahre der Forderung nach mehr Emotion im Kunstwerk nachkommen, können sie nicht die Abwanderung des Publikums von der Minimal Art aufhalten, was nicht zuletzt an der unheimlichen und teils bedrohlichen Wirkung ihrer Arbeiten liegt.
Einen der wenigen Balanceakte zwischen der unerbittlichen Geometrie und einer seltsam sentimentalen Gefühlswelt stellt Dan Flavins Œuvre dar. Sein Werk The Diagonal of May 25, 1963 (1963) besteht lediglich aus einer einzelnen Leuchtstoffröhre, dennoch werden hier alle wichtigen Aspekte seiner weiteren Arbeiten wie der „Nicht-Kunst-Look der unbearbeiteten handelsüblichen Leuchte, die kunsthistorische Nostalgie der Diagonalen (die definitive Metapher des Konstruktivismus) und der urbane, tagebüchliche Glamour des Titels“[10] bereits vereint.