Objekthaftigkeit und Perspektive beziehen sich zwar primär auf den Kunstbereich, trotzdem ergeben sich einige interessante Parallelen zur Minimal Music. Die meditative Wirkung hingegen trifft nahezu ausschließlich auf die Minimal Music zu, dennoch sollen auch hier mögliche Querverbindungen aufgezeigt werden, um schließlich das im Vorwort genannte, differenzierte Bild von minimalistischer Kunst und Musik zu vervollständigen.

Zeitliche Komponente
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Erreichen einer meditativen Wirkung stellt die sogenannte Entzeitlichung der Komposition dar. Das Aufheben einer nachvollziehbaren und strikt eingehaltenen Zeitstruktur wird durch eine extreme zeitliche Dehnung oder auch lang anhaltende Töne erreicht, was gewöhnlich zu einer fast epischen Aufführungsdauer führt und vor allem bei La Monte Young und Steve Reich zu beobachten ist. Ersterer arbeitet bis in die 90er Jahre insbesondere mit tendenziell unendlich langen Tönen und Obertonverhältnissen.
Reich dagegen wählt den Prozess der Phasenverschiebung, um seiner repetitiven Musik einen meditativen Charakter zu verleihen, jedoch bleibt er diesem streng minimalistischen Prinzip nur bis Anfang der 70er Jahre treu. Mit Young verbindet ihn das Anliegen, im Prozess des Komponierens alle subjektiven Entscheidungen möglichst auszuschließen.[1] Auch zahlreiche Künstler der Minimal Art bedienen sich der Erfahrung, dass ein Prozess nach seiner abgeschlossenen Konzeption völlig autonom abläuft, wie Sol LeWitt eindrucksvoll in seinen mathematisch-logischen Arbeiten zeigt.
Ein weiteres wesentliches Charakteristikum der meditativen Wirkung ist die Auflösung der klassischen Musikform im Sinne eines eindeutig nachvollziehbaren Kompositionsaufbaus, stattdessen verschreibt sie sich ganz dem „hic et nunc des klingenden Augenblicks“[2]. Damit verfolgt die Minimal Music in gewisser Hinsicht den philosophischen Ansatz, das Wahrnehmen der Gegenwart gegenüber einem vergangenheits- oder zukunftszentrierten Denken zu bevorzugen.
Ähnliches versuchen auch die Objektkünstler der Minimal Art, wenn sie den Besucher mit dem Objekt in einer Galerie oder im öffentlichen Raum auf eine gemeinsame Ebene stellen, um die Gegenwart eines Kunstwerkes möglichst intensiv wahrzunehmen. Dieser Ansatz lässt sich exemplarisch bei Serras Arbeit One Ton Prop (House of Cards) (1969) erkennen, die eine äußerst fragile Struktur aus aneinander gelehnten Eisenplatten darstellt. Durch die ständige Gefahr eines Einsturzes wird der Rezipient eindringlich gemahnt, das Kunstwerk bewusst an diesem Ort zu dieser Zeit zu registrieren.[3]
Die meditativen Aspekte der Minimal Music weisen ebenso Analogien zur Optical Art auf, die Mitte der 60er Jahre in New York einen enormen Aufschwung erfährt. Beide Strömungen teilen den Hang zu einer bemerkenswerten Präzision, die bei Young und seinen umfangreichen Frequenzforschungen auffallend ist, sowie zur Rezeption psychischer Phänomene. So korrespondieren die optischen Täuschungen der Optical Art mit Youngs Obertonexperimenten oder den psychoakustischen Nebeneffekten, die bei Reichs Phasenverschiebungen hörbar werden.
Ein weiterer Zugang zum meditativen Charakter eines Musikstückes erschließt sich Morton Feldman (1926 in New York geboren, 1987 in Buffalo, NY gestorben), der in seinen Arbeiten ab 1977 ausschließlich mit Wiederholung sowie der Veränderung von Klangmustern arbeitet. Diese verbindet er mit einer oft außergewöhnlichen Länge des Stückes sowie einer geringen Lautstärke, was sich beides in seinem Stück String Quartet II (1983) wiederfindet. Mit einer Aufführungsdauer von mehr als fünf Stunden ohne Unterbrechung führt Feldman sowohl die Künstler als auch das Publikum an die Grenzen ihrer Konzentration.

Scheinbare Ereignislosigkeit
Die als meditativ bezeichnete Minimal Music sieht sich häufig mit der Kritik an ihrer scheinbaren Ereignislosigkeit konfrontiert. Diese kommt hauptsächlich bei nicht variativer Repetition oder dem Aushalten extrem langer Töne vor, was besonders für Youngs Kompositionen kennzeichnend ist. Die Wirkung derartiger Kompositionstechniken kann sich einerseits in einer Art meditativen Entrückung aus dem Zeitzusammenhang ausdrücken, andererseits entwickelt sich gerade bei unablässig wiederholten Elementen ein schwebender Klangteppich, der den Hörer völlig zu vereinnahmen scheint.
Der Komponist Wim Mertens (1952 in Belgien geboren) begegnet dem Urteil, dass diese Art von Musik „langatmig, nichtssagend und sogar enervierend“[4] sei, mit der Erklärung, dass die Minimal Music weder expressiv ist noch der klassischen Ausrichtung auf das Ende des Stückes hin folgen möchte. Es gibt allerdings auch Ausnahmen unter den minimalistischen Komponisten, die zwar charakteristische Mittel des Minimalismus anwenden, aber dennoch zu einem stark expressiven Ansatz neigen. Die Werke von Henryk Mikolaj Górecki (1933 in Polen geboren) beispielsweise sind in den 50er und 60er Jahren noch ganz im Sinne der Serialität gestaltet, erst gegen Ende der 60er Jahre wendet er sich der Vereinfachung und Reduktion zu. Das Charakteristische seines späteren Kompositionsstils ist jedoch, dass er durch eine oft als naiv empfundene Verbindung von modalen Elementen und simplen Dreiklängen einen emotionalen Zugang zum Minimalismus findet.
Der vermeintlichen Ereignislosigkeit begegnet Górecki somit mit einem erheblichen Maß an Expressivität, was seinen Werken zuweilen die Bezeichnung des „heiligen Minimalismus“ einbringt. Sein berühmtestes Werk dieser Art ist die Symphonie No. 3 (1976), die sich als eine der wenigen Kompositionen der gesamten neueren Musik mit mehr als zwei Millionen verkauften Kopien zu einem kommerziellen Erfolg entwickelt.
Ebenso gilt Philip Glass als international erfolgreicher Komponist, was aber eher auf seine spätere, wenig minimalistische Schaffensperiode und dabei insbesondere auf seine Tätigkeit als Filmmusiker zurückzuführen ist. Während seiner frühen Beschäftigung mit dem strengeren Regelwerk des Minimalismus nimmt er auch zur scheinbaren Ereignislosigkeit seiner Musik Stellung. Glass ist sich durchaus bewusst, dass von einer klassischen Warte aus betrachtet wenig bis nichts zu geschehen scheint. Deshalb fordert er das Publikum auf, sich vom formalen Aufbau eines Musikstücks abzuwenden, um sich dem Ergebnis des graduell entfaltenden Kompositionsprozesses zu widmen.[5]
Ferner sieht er seine Musik ähnlich wie La Monte Young vom üblichen Kontext des Zeitbegriffs losgelöst, was in Music in Twelve Parts (1971-74) über die repetitiven Elemente als auch die Gesamtlänge vermittelt wird. Diese Komposition ist nicht nur aufgrund der über vier Stunden dauernden Aufführung eines der bedeutendsten Werke von Glass, sondern es markiert auch das letzte seiner rein minimalistischen Werk. Mit dem darauffolgenden Stück Another Look At Harmony (1970-1975) wendet sich Glass verstärkt der Harmonik und einer deutlich dichteren Kompositionstechnik zu.
Im Essay What is Minimalism really about (1977) versucht sich Tom Johnson an einer der zahlreichen Definitionen der Minimal Music, in der er unter anderem deren Tendenz beschreibt, Musik undramatisch zu machen. Im Gegensatz zur übrigen Musikkritik beschränkt sich Johnson jedoch drauf, diese sogenannte Undramatik, die sich aus der Ereignislosigkeit und einem fehlenden formalen Aufbau ergibt, auf neutrale Weise als ein etabliertes Charakteristikum der Minimal Music darzustellen.[6]

Spiritueller Hintergrund
In der ersten Hälfte der 60er Jahre entstehen eine Reihe von Kompositionen der Minimalisten La Monte Young, Terry Riley und Steve Reich, die zu einer frühen Form der meditativen Musik gezählt werden und einen stark spirituellen Charakter aufweisen. Die intensivste und längste Auseinandersetzung mit spirituellem Denken in der Musik ist bei Young zu finden, dessen enge Verbindung zur fernöstlichen Kultur und deren Philosophie bereits in seiner privaten Meditationspraxis sowie der Beschäftigung mit japanischen Haikus deutlich wird.
Besondere Bedeutung kommt in Youngs Schaffen den einfachen Oberton-Frequenzverhältnissen zu. Diese Frequenzen beruhen auf universellen Prinzipien und den Schwingungen des Universums, wie er im Studium mit dem indischen Guru Pandit Pran Nath ab 1970 erkennt.[7] Von seinem Mentor erfährt er auch, dass minimale Frequenzänderungen direkte Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben können. Mit diesem Hintergrundwissen experimentierend möchte Young seinem Publikum eine primär spirituelle Erfahrung vermitteln: „If people just aren’t carried away to heaven, I’m failing.“[8]
Ähnliche Ambitionen werden ebenso in der Minimal Art deutlich, auch wenn sie dort mit anderen Mitteln erreicht werden. Beispielsweise soll der Rezipient seine Beziehung zum minimalistischen Objekt und zu dessen geordneter Gegenwart wahrnehmen, damit er schließlich das Bewusstsein seiner eigenen Position im Verhältnis zum Universum erkennen kann. „Dieses ehrfürchtige Gefühl hervorzurufen ist die Funktion des Objekts“, wie es Morris formuliert.[9]
Carl Andre findet einen passenden Vergleich dazu, wenn er die große Ruhe beschreibt, die von Orten wie den Megalithen von Stonehenge oder einem japanischen Garten ausgeht. Das Empfinden dieser Ruhe führt seiner Meinung nach dazu, dass man erkennt, nicht das gesamte Universum in seinem Kopf enthalten zu können. Dennoch hat man in diesen Gärten „das sehr beruhigende Gefühl […], dass man im Universum enthalten ist.“[10]
Fernab der amerikanischen Minimalisten setzen sich einige osteuropäische Komponisten mit der religiösen Thematik auseinander, wobei diese fast ausschließlich auf christliche Motive Bezug nehmen. Der aus Polen stammende Górecki verarbeitet in seinen späteren Werken wie Old Polish Music (1969) die religiösen Traditionen seiner Heimat, die auch in seiner dritten Symphonie eine zentrale Stelle einnehmen. Deren erster Satz basiert auf einem Volksliedfragment aus der Sammlung des polnischen Paters Wladyslaw Swietokrzyski, in dem Maria den sterbenden Jesus bittet, sein Leid mit ihr zu teilen. Es folgt ein Text an einer Zellenwand, den ein 18jähriges Mädchen im Gestapogefängnis Zalopane einritzt. Trotz der relativen Kürze von etwa acht Minuten und einer eher spärlichen Instrumentierung erzeugt der zweite Satz eine bedrückende Stimmung, die fortwährend zwischen Hoffnung und Todesangst schwankt. Das Werk endet mit der Klage einer Mutter, die den Tod ihres Sohnes im Ersten Weltkrieg beweint.
Ein weiterer osteuropäischer Komponist mit starkem Interesse an der Religiosität ist Arvo Pärt (1935 in Estland geboren), der Reduktion und Repetition elegant mit einer transzendenten Erfahrung zu verbinden sucht. Bemerkenswert erscheint die Parallele zu minimalistischen Künstlern und auch einigen Komponisten, die ihre Individualität möglichst weit aus ihren Werken verbannen wollen. Pärt übt sich jedoch in Enthaltsamkeit seines kreativen Willens, um der „Offenbarung des kosmischen Geheimnisses als einer überzeitlichen, unveränderlichen Wahrheit“[11] näher zu kommen.
Seit dem Werk Für Aline (1976) verwendet er ausschließlich den vom ihm geprägten und nach dem lateinischen Begriff für Glöckchen benannten Tintinnabuli-Stil, der sich durch eine schlichte, meist in Sekundschritten entwickelnde Melodieführung auszeichnet. Darüber legt er eine Textur aus reinen Dur- oder Molldreiklängen, die dadurch entweder in ihrem Dreiklang bekräftigt werden oder aber eine dissonante Klangfarbe ergeben. Inhaltlich orientiert sich Pärt hauptsächlich an religiösen Texten und setzt beispielsweise die gesamte Johannespassion unter dem Titel Passio (1982) in seinen Stil um.
Abschließend sei angemerkt, dass die meditativen Tendenzen der Minimal Music keineswegs mit dem Genre der Meditationsmusik zu verwechseln sind, welches bekanntlich stark zur populären Musik neigt. Auch wenn Philip Glass und Michael Nyman in ihrem späteren Schaffen ebenfalls zum Unterhaltungsbereich tendieren, bleibt im konzeptionellen und kompositorischen Ansatz ein großer Unterschied zwischen der Minimal Music und ihrem populärmusikalischen Pendant bestehen.